“Das Jahr 2020 – an was erinnert man sich? Corona, Corona, Corona!
Aber nicht nur. Es gab doch tatsächlich auch noch was anderes, besseres!
Lange geplant von unserer Kathy und Stefan, wollten ein paar Saulgauer Flieger (die üblichen verdächtigen) mal sehen, was am oberen Ende der Republik los ist. Es sollte an die Ostsee gehen. Da Deutschland doch erstaunlich groß ist, wollten wir natürlich beizeiten aufbrechen. Es war Sonntag, der 16. August. Und das Wetter? Logisch! Sicht maximal von einzwei bis dreinull. Aber wir wollen mit Petrus nicht zu streng sein. Nach gut einer Stunde ausharren und hoffen, tat sich doch tatsächlich ein Löchlein über dem Dunst auf und wir, Kathy und Stefan in der OL, Karl- Josef und ich im Rattel und der Wicki mit Remos und Kopilot Manfred Scheffhold konnten uns langsam abflugbereit machen.
Punkt 7:39 UTC, Stachel rein und ab. Unser erster Zwischenstopp sollte Jena-Schöngleina sein. Die Saulgauer Flieger haben’s normalerweise tatsächlich nicht so mit dem Wetter, aber dieses Mal gab es wenig zu meckern. Bereits in ein paar hundert Metern Höhe gab’s sogar super Wetter mit weißen Wolken und traumhafter Sicht dazwischen. Bussen unten im Nebel oben frei. Und wie gelernt, oberhalb der Wolken ruhiger Flug. Über die Alb, die Flugbeschränkungsgebiete von Stuttgart und Nürnberg auslassend, bzw berücksichtigend, erreichten wir nach weniger als zweieinhalb Stunden den Flugplatz Jena-Schöngleina. Hier bekamen Mensch und Maschine die erste Stärkung. Corona- und Urlaubsschließung gab‘s da noch nicht.
Die zweite Etappe führte an den Flughäfen Leipzig und Berlin vorbei und mit ein bisschen Windpower von hinten schlugen wir nach weiteren zwei Stunden auf dem Platz Neubrandenburg auf. Mit unseren Navigatoren im OL natürlich sehr stressless.
Der Flugplatz (-hafen) Neubrandenburg, ein Verkehrsflughafen mit riesiger Runway von 2.3 km Länge bot reichlich Platz für unsere 3 Fliegerchen. Nachdem wir diese übernachtungsfest gemacht und die üblichen Prozeduren erledigt hatten, konnten wir uns mittels Taxis in Richtung zu unserem von Kathy lang vorher gebuchten Hotel begeben. Schock! Überbucht! Komplett voll. Schwitz! Unsere Organisatoren bekamen die Sache aber souverän hin; das Töchterchen musste eben bei Pappi auf dem Fußboden schlafen, für die anderen war’s bequemer. Leider war ein kurzer Stadtbummel durch Neubrandenburg am Abend nicht mehr drin, da das Hotel doch ziemlich außerhalb lag und ohne Taxi weder Flugplatz noch Stadt erreichbar waren. So, aber der erste Tag verlief auf jeden Fall schon mal recht super und interessant. Schauen wir erwartungsvoll auf das, was noch kommt.
Am nächsten Morgen Frühstück unter moderaten Coronabedingungen und dann ab wieder mit Taxi zum Flughafen. Die Flugzeuge haben die Nacht ebenfalls erwartungsgemäß überstanden und heute stand Ostsee auf dem Programm. Zunächst zum Flugplatz Rügen und von hier in den Touri-Ort Binz und an den Strand. Der Taxifahrer war sehr gesprächig und wies auf der ausgedehnten Fahrt auf die möglichen Sehenswürdigkeiten hin und gab einen aufschlußreichen Einblick in seine DDR-Geschichte. An der Ostsee selbst Massentourismus – Corona weit weg!
Der Weiterflug von Rügen über die Ostsee, die berühmten Kreidefelsen mit dem Königsstuhl, dann an Peenemünde vorbei, ein echtes Highlight, zumal das Wetter auch super mitspielte.
Das Zwischenziel, bevor es wieder zurück nach Neubrandenburg ging, war der Flugplatz Anklam. Hier wurde der Flugpionier Otto Lilienthal geboren; was uns allerdings näher lag, war die dortige Tankstelle. Während die Tanknadel des Mose normalerweise durch lustiges Hüpfen anzeigt, dass noch genug Bier im Fass ist, hatte sie jetzt zum Schluss die Beweglichkeit einer Gletschermumie erreicht. Das Tanken dann fast ein Genuss, zumal der Spritpreis Autotankstellenniveau hatte. Das IST nämlich eine Autotankstelle.
Ein Katzensprung zurück nach Neubrandenburg. Die Stadt hat zwar einen klangreichen Namen und angeblich auch eine bis ins Mittelalter zurückreichende Geschichte, was wir bei einem Stadtrundgang jedoch nur unvollständig feststellen konnten. Die kulinarischen Vielfältigkeiten hielten sich dann auch in Grenzen. Aber wir sind ja schließlich nicht zum Geschichtsunterricht oder Vergnügen hier!
Das Programm für den nächsten Tag war fliegerisch etwas kürzer, es führte auf den Flugplatz Pasewalk. Hört sich zwar an wie die Gründung englischer Auswanderer, liegt aber immer noch in Meck-Pomm, also Deutschland. Dem Stefan gelang es mit seinen bekannt gut ausgebauten Beziehungen eine Betriebsbesichtigung bei der Firma Remos zu organisieren. Der dortige Betriebsleiter nahm sich echt viel Zeit und ermöglichte uns einen teilweise doch sehr detailreichen Einblick in Technik und Fertigung. Für unseren Wicki war’s sicher auch informativ, seinen Flugzeugtyp einmal aus anderen Perspektiven zu sehen.
Zurück auf dem Heimatflugplatz, verbrachten wir die Zeit mit einem gemütlichen Spaziergang am Tollensesee, einem Naherholungsgebiet der Neubrandenburger.
Der nächste Tag ebenfalls super toll. Heute stand auf dem Programm, was Touristen so gern nach Mecklenburg lockt: die Seenplatte! Vom Flugplatz Waren-Vielist, einem Kartoffelacker im Nirwana, ging’s, wie immer im Taxi, in die Touristenstadt Waren. Stadtrundgang, Mittagessen in einem ruhig gelegenen Restaurant und einer Schiffsfahrt mit einem auf alt getrimmten neuen Dampfer – so kann man Urlaub aushalten. Dass das Wetter ebenfalls so phänomenal mitspielte – die Saulgauer Flieger hatten’s auch schon anders erlebt.
Beim erweiterten Rückflug bei bester Flugsicht bekamen wir ausgiebig dann die Perspektive auf das nördlichste Bundesland, das normale Touristen so eben nicht erleben können. Wirklich sehr eindrucksvolle Bilder.
Nochmal aufmunitionieren in Anklam ( Autotankstelle!), dann zurück zum Hotel.
Der letzte Tag war natürlich für den Rückflug in die südliche Heimat vorgesehen. Immer schön beisammen, nicht gerade Formationsflug, aber immer auf Sicht. Wie schwer es ist, trotz Sicht von Pol zu Pol sich nicht zu verlieren, zeigte sich, als die Kathy den Wicki mit seinem Geschoss D-MLWE einmal bat, einen kurzen Abstecher zu einem qualmenden Brandherd zu machen. Nur ein paar Minuten, aber sich dann wieder zu finden, erforderte doch etliche Positionsmeldungen, Landschaftbeschreibungen und Vollkreise.
Wie bei der Anreise machten wir wieder in Jena Zwischenstop; kleinere Plätze sind Wochentags ja häufig nicht besetzt. Die Flugzeuge bekamen hier nochmal ihre Nahrung, im Gegensatz zu den Piloten, denn die Wirtschaft war bereits im Urlaub oder Corona oder beides. Hier hatten wir noch einen Plausch mit der Besatzung eines Polizeihubschraubers, der ebenfalls tankte (auf Staatskosten versteht sich, im Gegensatz zu uns).
Die restliche Strecke bei kräftigem Gegenwind und spürbarer Thermik war wieder Routine und nach circa 4 ½ Stunden Gesamtflugzeit und mit einer Mischung zwischen Schmerz und Taubheit im Gesäß setzten wir am frühen Abend in unserer ebenfalls sehr schönen Heimat wieder auf.
Zusammenfassend: Es hat alles, aeronautisch, technisch, meteorologisch, geografisch und natürlich auch soziologisch bestens gepasst.”