Mal nicht auf einem Flugplatz landen, sondern auf einer kurzen Wiese, irgendwo im Nirgendwo. Was in Deutschland so gut wie unmöglich ist, betreiben unsere Fliegerfreunde in Österreich schon seit vielen Jahren. Dreimal im Jahr veranstalten die österreichischen Gebirgspiloten ein solches Fly-In und heißen jeden recht herzlich willkommen, der gewisse Erfahrungen mit sich bringt und noch ein Platz auf der beliebten Anmeldeliste ergattern konnte.
Berge, kurze Pisten in einem anspruchsvollen aber unfassbar schönen Terrain, gepaart mit leckeren regionalen Köstlichkeiten und netten Leuten sind Argumente bei denen wir nicht nein sagen konnten und vor allem nicht nein sagen wollten.
Nachdem wir uns auf der Anmeldeliste wiedergefunden hatten, bereiteten wir alles für den Flug nach Kaiserau (östlich Liezen) vor. Anflugkarte, Anflugverfahren und Pistenbeschaffenheit hatten wir soweit studiert. Badesachen, kurze Hosen und T-Shirts wurden durch dicke Jacken, festes Schuhwerk und Wollsocken ersetzt. Wir hatten schließlich Ende November. Eine Jahreszeit bei der wir eigentlich in unserer beheizten Werkstatt sind und unsere Vereinsflugzeuge für die kommende Flugsaison vorbereiten.
Auch das Wetter ist zur dieser Jahreszeit nicht zwangsläufig für ausgiebige Wochenendtouren in die österreichischen Berge prädesdiniert. Einige Skigebiete meldeten schon regen Betrieb und auch die Wetteraussichten waren nicht die besten.
Umso mehr freute es uns, dass der Veranstalter das Fly-In am 23.11.19 freigab. Eine etwas tiefere Wolkendecke, sowie ein „laues Lüftchen“ sollten uns vor Ort erwarten. Mit dem Wissen, dass das „laue Lüftchen“ Föhn heißt und nicht unbedingt ein Garant dafür ist, den Flieger ausgetrimmt dahingleiten zu lassen und sich dabei ganz entspannt die Gegend anzuschauen, machten wir unser Flugzeug startklar und flogen nach Illertissen. Dort angekommen warteten schon Henry und Helga mit Ihrer Wilga (liebevoll auch fliegender Möbelwagen genannt) auf uns. Ein Flugzeug, welches nicht zwangsläufig zu den ästhetischen Raffinessen der Luftfahrt gehört, dennoch als wahres Multitalent mit atemberaubenden Klang punkten kann.
Nachdem der blubbernde Sternmotor seine Betriebstemperatur erreicht hatte, starteten wir von Illertissen aus Richtung Kaiserau. Der Flug führte uns über Landsberg am Lech, Starnberger See, Bad Tölz und Tegernsee. Von dort aus stiegen wir in die Alpen ein und flogen vorbei an Kufstein, nördlich von Zell am See Richtung Liezen. Henry als sehr erfahrener Gebirgspilot flog vorweg. Wir folgen nahezu unauffällig und duellierten uns zwischenzeitlich mit den sehr auffälligen Windturbulenzen des „lauen Lüftchens“. Teilweise bescherte uns der Wind eine Geschwindigkeit über Grund von knapp 100 km/h, bei einer angezeigten Geschwindigkeit von ca. 160 km/h. Es sollte also ein langer Kampf bis zum Ziel werden. Beim Einflug in die Berge hieß es dann die Anschnallgurte zwei Nummern enger zu ziehen. Für Quietschi, unsere gelbe Quietscheente hatten wir das Gurtzeug leider zuhause gelassen. Und so wunderte es uns nicht, dass Sie nach diesem Hinflug mehr Kunstflugstunden durch unser Cockpit in Ihr Flugbuch eintragen konnte als einige Piloten in den letzten drei Monaten. Dennoch waren wir beeindruckt von der fantastischen Alpenkulisse. Vorbei an schneebedeckten Bergen und kleinen Seen, flogen wir Richtung Liezen und konnten den ein oder anderen Skifahrer beim Skifahren zusehen. Fünf Minuten vor Erreichen unserer Landewiese meldeten wir uns bei der Flugleitung an. Bei den ganzen Flugvorbereitungen, die ich für diesen Flug gemacht habe, hatte ich einen entscheidenden Punkt vergessen. Der sympathische Dialekt des Flugleiters kam mir vor wie eine völlig neue Fremdsprache. Außer unsere Kennung verstand ich ehrlich gesagt kein Wort. Gut das Kaddi mit an Bord war. Sie schien sämtliche Dialekte zu beherrschen und übernahm ab dann die Kommunikation mit der Flugleitung. Ich folgte Ihren Anweisungen, während Sie noch parallel versuchte unsere Quietscheente einzufangen, die sich dank des lauen Lüftchens schon längst nicht mehr auf Ihren Platz halten konnte.
Henry und Helga landeten als erstes. Dabei zeigte er uns einmal mehr, zu was sein roter Möbelwagen in der Lage ist. Klappen raus, Leistung raus und schon fällt die Wilga aus Platzrundenhöhe wie ein Stein durch sämtlich Turbulenzen Richtung Landefeld. Kurz vorher wieder ein bisschen Leistung rein, abfangen und schon setzt er den Flieger butterweich auf und steht nach noch nicht mal 200 Meter. Diese Strategie schien mir plausibel und so ließen wir uns bei vollen Klappen in Schrägfluglage durch die Turbulenzen fallen. 200 Meter vor der Piste noch schnell alles in Landekonfiguration gestellt, bevor wir dann fast genauso butterweich aufsetzten. Aber auch nur fast.
Nun standen wir da. Mitten auf einem Bergkamm, umgeben von Bergzügen und einer kleinen Skipiste, die aufgrund des fehlenden Schnees nicht aktiv war. Wir stellten den Flieger ab und machten Ihn Wetter- bzw. Windfest. Sofort kamen die anderen Fliegerfreunde an und begrüßten uns herzlichst. Wir waren begeistert.
Mobilfunknetz gab es hier nicht. Somit wurde der Statusbericht nach Bad Saulgau temporär auf „on Hold“ gesetzt. Dafür hatte für diese Veranstaltung extra das kleine Restaurant geöffnet und versorgte uns für die nächsten sechs Stunden mit Kaffee, Kuchen, Abendessen und anderen wärmenden Getränken. Es war eine fantastische Stimmung.
Nachdem wir zusammen sehr gut gespeist hatten, wurden wir per Taxi in die nächste Stadt (Admont) gefahren. Dort angekommen, trafen wir uns noch zum gemeinsamen Abendausklang. Ich nutzte die Möglichkeit mich mit dem sympathischen Dialekt anzufreunden und stellte schnell fest, dass die verschiedenen Dialekte durch den gemeinsamen Konsum gewisser regionaler Getränke eins wurden.
Am nächsten Morgen ging es mit einem gemeinsamen Frühstück weiter. Viele nutzten die Challenge sich die Frühstückseier selber zu Kochen. Von flüssig bis steinhart war alles dabei. Anschließend holte uns das Großraumtaxi ab und fuhr uns über die Serpentine hoch zum Landefeld. Zwischenzeitlich wussten wir nicht was schlimmer war. Der Hinflug bei Föhnwetterlage oder die Fahrkünste des Rallyetaxifahrers.
Oben angekommen machten wir unsere Flugzeuge für den Rückflug startklar. Nachdem obligatorischen Fotoshooting nahmen wir uns die Zeit und sahen wir uns an, wie die ersten Flugzeuge Richtung Heimat starteten. Aufgrund der Gegebenheiten konnte nur in eine Richtung gestartet werden. Der Wind stand stramm auf der Bahn. Nur von der falschen Richtung. Einige Piloten waren anscheinend sehr froh, dass es hinter der kurzen Bahn noch einige Meter Wiese gab und nutzten jeden Meter aus der Ihn zur Verfügung stand. Selbst Henrys bärenstarke Möbelwagen musste alles geben, um rechtzeitig in die Luft zu kommen.
Auch wir mussten feststellen, dass eine nasse Wiese und starker Rückenwind nicht förderlich für eine kurze Startstrecke ist. Dank des fast leeren Tanks und unser gutes Leistungsgewichts benötigten wir nicht die komplette Bahn und folgte Henry nach Niederöblarn zum Tanken.
Nachdem die Flugzeuge getankt waren und der ein oder andere Schneemasse den Weg unter unsere Jacke gefunden hatte, machten wir uns auf dem Rückflug nach Bad Saulgau. Diesmal beglückte uns der Rückenwind mit einer Groundspeed von teilweise 200 km/h und wir hatten die Möglichkeit uns das halb verschneite Alpenpanorama in Ruhe anzusehen. Vorbei an Zell am See, Kufstein, Bad Tölz und Starnberger See sahen wir schon den Pfänder am Horizont. Südlich von Memmingen verabschiedeten wir uns von Henry, Helga und Ihrem roten Möbelwagen, bevor es weiter über Leutkirch, Bad Waldsee Richtung Bad Saulgau ging.
Gegen 14:00 Uhr setzten wir auf der Piste 30 in Bad Saulgau auf. Ein wirklich außergewöhnliches Fly-In, mit fantastischen Gastgeber. Wir werden nächstes Mal auf jeden Fall wieder dabei sein. Jetzt darf die Winterarbeit kommen.